Presse

Wärmende Töne tief unter Tage

VON STEFAN LYRATH (12.10.09 im Mindener Tageblatt)

Porta Westfalica-Kleinenbremen (Ly). Zehn Grad Temperatur, 95 Prozent Luftfeuchtigkeit, der Ausgang 800 Meter entfernt, die Erdoberfläche 60, umgeben von Wänden aus Stein: In dieser Lage sind am Freitagabend 60 Menschen. Alle hat der Berg verschluckt.

Und das ist auch gut so, denn sonst hätten sie nie erfahren, welch vorzügliche Akustik das Kleinenbremer Besucherbergwerk bietet. Auf der Bühne sitzen Kruse & Blanke. Sie sitzen, und doch sind beide ständig in Bewegung. Aus den Mündern kommen Atemwolken, von den ewigen Wänden hallt warmer Sound.

Jeder in der Höhle kennt die Songs: “Hard To Say I´m Sorry” von Chicago, “Dust In The Wind” von Kansas, “Wonderful Tonight” von Eric Clapton. Live gespielt mit einer Harmonie, die Jahre braucht, wenn nicht Jahrzehnte. Zwei Stimmen, ein Bass, eine Akustik-Gitarre und ein Publikum, das sich innerlich erwärmen lässt – mehr braucht es nicht.

Pause. “Die Akustik ist der Hammer”, schwärmt Sänger und Gitarrist Michael Kruse (Borken), bevor er wieder auf die Bühne muss. Muss? Darf. “Für uns ist dies ein sehr besonderes Konzert”, wird Detlef Blanke (Delmenhorst) später sagen. “In einer solchen Atmosphäre haben wir noch nie gespielt.” Und sie spielen seit 29 Jahren zusammen.

Weil die Temperatur partout nicht steigen will, legen Kruse & Blanke nach der Unterbrechung ein paar Briketts nach. Balladen haben die erste Hälfte dominiert, jetzt überwiegen schnellere Nummern wie “Mrs. Robinson” von Simon and Garfunkel oder in diesem Fall auch Cat Stevens´ “Lady D´Arbanville” mit einem zusätzlichen Schuss Tempo.

Zwei Vollblutmusiker verbeugen sich vor den Originalen, interpretieren sie aber vielfach mit hohem Anspruch neu. Längst wippt ein größerer Teil des Publikums im Takt mit, gewiss nicht nur als Therapie gegen die Kälte. Am Schluss, nach fast drei Stunden, sind mehrere Zugaben Ehrensache, bevor es in die Grubenbahn geht, die alle zum Ausgang fährt.

Kruse & Blanke, das ist handgemachte Musik mit hohem Wohlfühlfaktor, die Erinnerungen weckt und in Fußgängerzonen ebenso zu Hause ist wie in Kneipen, auf Stadtfesten oder eben unter Tage. Und es ist der klare, dominierende, wandlungsfähige Gesang des Gitarristen. “Michael Kruse ist die Reinkarnation der Stimme von John Denver”, sagt Detlef Blanke. Und das ist kein Witz: 1990 hat sich Kruse in der Rudi-Carrell-Show mit dem Denver-Lied “Annie´s Song” das “Goldene Mikrofon” ersungen.

Singen kann auch der zweite Mann. Ein besonderer Reiz liegt im Dialog der Instrumente, Kruses Akustikgitarre und Blankes Bass, gepaart mit enormer Spielfreude und gefühlvollem Gesang. An die 200 Songs umfasst das Repertoire, doch das Duo hält nichts davon, mit einem Programmzettel auf die Bühne zu gehen. Wozu auch? Spontanität und Improvisation sind angesagt, ihre Songs kennen die Musiker aus dem Effeff.

Ständiger Dialog mit dem Publikum ist für Kruse & Blanke Programm. In Kleinenbremen tun sie dies jedoch auch, um Zeit zu gewinnen: Immer wieder muss Perfektionist Kruse seine Gitarre stimmen, weil das Instrument kein feuchtes Klima mag.

“Bevor wir noch einmal zusammen Musik machen, muss die Hölle zufrieren”, haben die “Eagles”, zu deren Fans Kruse & Blanke gehören, vor dem Comeback gesagt. Dass Michael Kruse und Detlef Blanke sich nach so langer Zeit noch trennen werden, gilt als unwahrscheinlich. Sicher ist, dass das Besucherbergwerk niemals zufrieren wird. Dort herrschen stets neun bis elf Grad. An manchen Abenden kommt es einem deutlich wärmer vor.